Kopfschmerz – Schicksal oder Chance?

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Ein Text von Dr. med. Angela Stahl, Fachärztin für Neurologie & Psychiatrie

Ich gebe zu, das ist eine provokante Überschrift. Wie sollte ein Kopfschmerz, der mich seit Jahren quält und mich meiner Lebensqualität beraubt, eine Chance bedeuten? Dieses Thema bewegt mich schon seit mehreren Jahrzehnten. Genauer gesagt, trifft es nicht nur auf Kopfschmerzen zu, sondern auf Krankheit überhaupt.

Was aber ist Krankheit? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) macht es sich damit sehr einfach, indem sie Gesundheit definiert als Zustand des vollständigen geistigen, seelischen und körperlichen Wohlbefindens.  Beginnt also Krankheit dort, wo sie sich materialisiert hat, dann, wenn wir Befunde messen können mit unseren schulme­di­zinischen Möglichkeiten wie Kernspintomo­gramm, Nervenleitgeschwindigkeit, evozierten Potentialen, Blutanalsyen und EEG oder aber beginnt Krankheit schon dann, wenn unser Befinden uns signalisiert, dass uns etwas fehlt? 

Bedeutet die Definition der WHO, dass wir schon krank sind, wenn wir uns auch im Sozialen nicht mehr wohlfühlen?

Ein Nicht-Mehr-Wohlfühlen äußert sich oft in einer Traurigkeit, Melancholie oder einem körperlichen Symptom wie einem Kopfschmerz. In vielen Fällen können wir diese Symptome durch eine Tablette  ausschalten. Aber ist es nicht sinnvoller, dem Symptom nachzugehen, in uns hineinzuhorchen und uns zu fragen, welchen Sinn dieses Symptom für uns macht und was es wohl unserem Körper und unserer Seele signalisieren will?
„Wächst uns etwas über den Kopf?“, „wissen wir nicht mehr wo uns der Kopf steht?“, „haben wir uns etwas in den Kopf gesetzt?“.

Verschiedene Kopfschmerzformen:

Die internationale Gesellschaft für Kopfschmerzen hat in ihrer Klassifikation für Kopfschmerzerkrankungen eine sehr umfassende Einteilung der verschiedenen Kopfschmerzformen geliefert. Es werden zum Beispiel viele Subtypen von Migräne und Spannungskopfschmerzen unterschieden. Weiter gibt es andere Formen von halbseitigem Kopfschmerz, die mit verschiedenen Symptomen zusammen auftreten können.

Kopfschmerzen können aber auch ein Warnsymptom bei bestimmten Hirngefäßerkrankungen, Hirntumoren, Blutungen oder anderen nervlichen Erkrankungen sein. Nicht selten kann einem Kopfschmerz aber auch ein Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule oder eine andere degenerative Erkrankung der Halswirbelsäule zugrunde liegen. Diese Ursache wird leider im klinischen Alltag oftmals über viele Jahre verkannt.

Die Liste der möglichen organischen Ursachen für einen Kopfschmerz ist sehr lang — im Wesentlichen kommt es mir lediglich darauf an, die Wichtigkeit einer umfassenden neurologischen Abklärung eines Kopfschmerzsyndroms zu unterstreichen. Die neurologische Abklärung sollte in der Regel neben einer ausführlichen Befragung und neurologisch-klinischen Untersuchung des Patienten eine apparative Zusatzdiagnostik je nach Symptomen und eine bildgebene Diagnostik beinhalten.

Befragung und neurologisch-klinischen Untersuchung des Patienten eine apparative Zusatzdiagnostik je nach Symptomen und eine bildgebende Diagnostik beinhalten. Die häufigsten Kopfschmerzformen sind die Migräne und der Spannungskopfschmerz

Was ist eine Migräne?

Bei der Migräne handelt es sich um einen attackenartig auftretenden Kopfschmerz mit üblicher Dauer von vier bis 72 Stunden. Sie tritt überwiegend halbseitig auf, hat oftmals einen pulsierenden Schmerzcharakter, verstärkt sich bei körperlicher Aktivität und ist mit einer Übelkeit, Brechreiz oder Erbrechen verbunden.  Viele Patienten klagen auch über eine vermehrte Lärm– und Lichtempfindlichkeit und suchen deshalb häufig abgedunkelte Räume auf, wo sie sich hinlegen können und das Ende der Attacke abwarten. Während der Attacke bleibt der Kopfschmerz üblicherweise auf der Seite, auf der er begonnen hat, kann sich aber in Einzelfällen auch auf die ganze Schädeldecke ausbreiten. Bei einem Drittel der Patienten ist der Schmerz von Beginn an beidseitig mit einem Maximum über der Stirn und Augengegend. Oftmals wird ein drückender Schmerz hinter dem Auge beschrieben. Der Schmerz­charakter kann aber auch pulsierender oder stechender Natur sein.

Nach Abklingen der Migräneattacke fühlen sich die Patienten bis zu 24 Stunden müde, abgeschlagen, unkonzentriert, reizbar und initiativlos.  Oftmals kommen während der Migräneattacke ein Schleier oder Flimmersehen, ein Kribbeln, ein Benommenheitsgefühl oder ein Schwindel vor. Die Migräne kann von depressiven Verstimmungen, einer vermehrten Reizbarkeit oder auch von einer Hyperaktivität eingeleitet werden. Es gibt Migräne, die von einer Aura eingeleitet wird und auralose Migräneattacken. Eine Aura kann zum Teil auch schlaganfallähnliche Symptome produzieren wie eine Halbseitenlähmung oder halbseitige Sensibilitätsausfälle, Gesichtsfelddefekte oder Sprachstörungen. Komplizierte Auras können bis zu einer Woche andauern.

Bei der so genannten Basilarismigräne treten Symptome auf, die wir auch bei Durchblutungsstörungen des Hirnstammes kennen und die mit Drehschwindel, verwaschener Sprache, Doppelbildern und doppelseitigen Körpersymptomen einhergehen können. Manchmal kann es auch zu einem Hängen des Oberlides kommen.  Last-but-not-least gibt es auch eine „Migraine-sans-Migraine“, das heißt eine Migräne ohne Kopfschmerzen, die sich zum Beispiel nur in einem flüchtigen Durchfall äußern kann.

Die zweithäufigste Kopfschmerzform ist der Spannungskopfschmerz. Im typischen Fall ist der durch einen beidseitigen Stirn– und Hinterhauptschmerz charakterisiert.  Oftmals klagen die Patienten auch über einen Stirnkopfschmerz .oder aber über ein Druckgefühl um und hinter den Augen. Gelegentlich wird auch ein Schraubstockgefühl beschrieben.

Eine detaillierte Anamnese, die in der Regel durch den Neurologen erhoben werden sollte, differenziert dann die Symptome weiter und klärt im einzelnen ab, welche Kopfschmerzform vorliegt.  Dieses hat dann auch einen entscheidenden Einfluss auf die Therapie.

Ich denke, deutlich genug gemacht zu haben, wie wichtig eine solide schulmedizinische Aufklärung ist, um gefährlichere Krankheiten im Frühstadium zu erkennen und keine Warnsymptome zu übersehen.  Leider ist es damit oftmals getan. Findet sich keine Ursache für den Kopfschmerz, wird der Patient oftmals angesichts der unauffälligen apparativ-technischen oder unauffälligen Laborbefunde in das Land der Ratlosigkeit entlassen.

Wir alle kennen den Satz „damit müssen Sie leben“. Müssen wir das wirklich? 

Gibt es nicht noch andere Behandlungsformen, die uns weiterhelfen können?  Sollten wir uns beim Psychotherapeuten oder Psychologen Hilfe holen und um ein tieferes Verständnis für das Entstehen des Symptoms ringen? Ist der Kopfschmerz vielleicht in einer veränderten kritischen Lebenssituation aufgetreten oder haben wir uns so geärgert, dass wir „vor Wut Galle spucken“?  .

Am Beispiel der Kopfschmerzen sehen wir, wie wichtig eine ganzheitliche Betrachtungsweise eines Kopfschmersymptoms aus der Sicht sowohl der Schulmedizin als auch der Psychotherapie, der Ernährungsmedizin und der Naturheilverfahren ist. Ganz einfach betrachtet, besteht der Mensch eben nicht nur aus einem Körper mit Fleisch und Blut, sondern auch aus einer Seele und er hat eine Energetik, einen Geist!

Jedes Medizinsystem, das sich nur auf eine der drei Komponenten beschränkt, muss scheitern.  Zur ganzheitlichen Sicht eines Menschen gehört eben auch das Zusammenwirken zwischen Körper, Geist und Seele zu verstehen. Die traditionell chinesische Medizin findet einen Weg, all diese Aspekte aus physischer und psychischer Sicht zu vereinen und in einem komplexen dynamischen und kybernetischen System zusammenzufassen. In einer ausführlichen traditionell chinesischen Diagnostik, die jeder soliden traditionell chinesischen Therapie und Akupunktur vorausgehen sollte, werden die vielfältigen Symptome des Patienten in einen großen Gesamtzusammenhang gestellt und in ihrer Dynamik verstanden. Grundlage dieser Diagnostik ist die Fünf-Elemente-Lehre der traditionell chinesischen Medizin mit den fünf Orbes-Wandlungsphasen: Leber, Herz, Milz, Lunge, Niere und den Grundbegriffen des Yin und des Yang, die uns allen schon geläufig sind. Jeder Wandlungsphase sind eine Fülle von Entsprechungen und Mustern zugeordnet. Hier stellt sich der grundlegende Unterschied zwischen rein schulmedizinischer und traditionell chinesischer Medizin dar: In der westlichen Medizin wird der Messbarkeit eines Symptoms eine große Bedeutung beigemessen, nicht das Befinden, sondern der Befund interessieren. Knallharte Daten müssen her. Fernöstliche Medizinsysteme hingegen orientieren sich am aktuellen Befinden eines Menschen, entgleiste Funktionen werden bewertet und beurteilt.

Orthomolekulare Medizin und Ernährung:

Zu einer soliden Kopfschmerzdiagnostik und -behandlung gehören selbstverständlich auch eine Anamnese oder eine Befragung zu den Ernährungs­gewohnheiten. Insbesondere sind Migräniker oftmals von Nahrungsmittelunverträglichkeiten betroffen, die ihrerseits zu einer intestinalen Dysbiose und Minderung der Aktivität unseres Immunsystems führen. Das hat nicht selten zur Folge, dass wichtige Vitalstoffe über die Darmschleimhaut nicht resorbiert werden können. Hier ist eine deternierte Ernährungsberatung gefragt. Migräniker leiden nicht selten unter gravierenden Vitalstoffmangelzuständen, die oftmals nur durch eine zusätzliche Nahrungsergänzung zu beheben sind.

Zusammenfassung:

Der Mensch besteht aus Körper, Fleisch und Blut als auch Geist und Seele.  Viele Faktoren können zu Kopfschmerzen führen. Nicht nur schulmedizinische Ursachen, sondern auch tiefenpsychologisch erkennbare innere Bewegtheiten, energetische Dysregulationen oder orthomolekulare Fehlbalancen können an der Entstehung eines Kopfschmerzsyndroms beteiligt sein.

 

Dr. med. Uwe Diedrich

Allgemeinarzt und Chirotherapeut mit niedergelassener Praxis in Norderstedt, Schleswig Holstein.

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