Der Bandscheibeninnendruck

By OpenStax College - Anatomy & Physiology, Connexions Web site. http://cnx.org/content/col11496/1.6/, Jun 19, 2013., CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30131446

Katsuhiko S. et al.: In vivo intradiscal pressure measurement in healthy individuals and in patients with ongoing back problems. Spine 1999;24:2468

Der Bandscheibeninnendruck von 8 gesunden Probanden und 28 Patienten, die an einer chronischen Lumbalgie litten, wurde im Segment L4/5 in verschiedenen Haltungen gemessen. Folgende Druckwerte fanden sich:

In Rückenlage 144 N, in Seitenlage 240 N, im Stehen 800 N im Sitzen (aufrecht) 996 N. Druckerhöhungen traten bei Flexion und Extension sowohl in stehender als auch in sitzender Haltung auf. Der Druck hängt im Stehen vom Winkel des Bewegungssegments ab (linearer Zusammenhang bei der Beugung). Dieser Zusammenhang fand sich im Sitzen nicht! Atembewegungen führten in Bauchlage zu periodischen Druckschwankungen. Bei Ausübung des Valsalva Manövers kam es zu einem schnellen, kurzzeitigen intradiscalen Druckanstieg. Bei Bandscheibendegeneration zeigte sich ein deutlicher Druckabfall.

Hinweis: Beim klinisch manifesten Bandscheibenvorfall sollte das Sitzen nach Möglichkeit vermieden werden. Das Valsalva Manöver als Test für Protusionen.

Der Innendruck der Bandscheibe hängt von ihrem biomechanischen Zustand der Körperhaltung und der Atmungsphase  ab.

Der durchschnittliche intradiscale Druck (IDD) der gesunden Bandscheibe L4/5 beträgt im Stehen 539 kPa (Spine 1999,24(23);2468). Er variiert je nach Haltung ( s, Tabelle 1). Bei einem 73 kg schweren Menschen herrscht stehend im Segment L4/5 eine Kraft von 800 N.

Der IDD variiert synchron zur Atmung, das aber nur im Liegen (verbesserte  Diffusion in die Bandscheibe) => Risikominderung für den BSV durch Liegen. Sowohl bei Lordosierung der LWS als auch bei Kyphosierung kommt es zu einem Anstieg des IDD. Die Extension führt zu einem stärkeren Druckanstieg im Bereich des dorsalen Nucleus als die Flexion. Der Zusammenhang IDD zum Winkel der Lageänderung in der Sagittalebene ist bzgl. der Flexion linear bzgl. der Extension entsprechend einer quadratischen Funktion! Die IDD nehmen mit dem Grad der Bandscheibendegenration ab. In Rückenlage ergeben sich folgende Druckwerte (kPa). Degenerationsgrad1 (gesund) 91 (SD 25) , Grad 2 72 (SD 42), Grad 3 32 (SD 45), Grad 4 10. (SD 20). Die Wahrscheinlichkeit einen BSV zu bekommen steigt mit dem Innendruck und mit dem Alter der Bandscheibe an.  Eine Bandscheibe die vollständig abgenutzt und entwässert ist macht  keinen BSV mehr!  Bei einem Unfall leidet die bessere Bandscheibe zuerst.. Spine 21(22):2570.

Tabelle 1:

Rückenlage                                  25

Seitenlage                                    75

Stehen                                        100

Husten /Lachen                          140

Gerades Sitzen                           140

Nach vorne Bücken 20°              150

Krummes Sitzen                          185

Bauchmuskelübung Sit Up          210

Nach vorne Bücken 40°               220

10 Kg aus den Knien heben        340

10 Kg aus dem Rücken heben    390

10 Kg gebeugt und gedreht         420

                            

Innendruckwerte der Bandscheibe L4/5 abhängig von der Haltung. Relativangaben (100 % im aufrechten Stehen)

Experimentell gemessene intradiscale Drucke (mmHg) in der Bandscheibe L4/5 unter Flexionsdistraktion.

Aus Cox Low Back Pain 6 th. ed. Baltimore, Williams & Wilkins 1998

Intradiscaler Druck in verschiedenen Bandscheiben unter Flexionsdistraktion. Druckangaben in mmHg. Aus Cox Low Back Pain 6 th. ed. Baltimore, Williams & Wilkins 1998

Stadien der Bandscheibendegeneration

1 = normal

2 = niedrige Signalintensität des Nucleus Pulposus

3 = Erniedrigung der Bandscheiben­höhe   ­           

4 = Veränderungen der Endplatten

Unter der Flexionsdistraktion kommt es zu einem Rückgang des IDD. Durch die dabei auftretenden zentripetalen Kräfte kommt es zu einer Zentralisierung des Nucleus Pulposus und damit zu einer Abnahme des Drucks auf das lig. longitudinale posterior und die Nervenwurzel.

Zu 2.  Unter Distraktion kommt es zu einer Höhenzunahme im Bandscheibenfach. In mehreren Studien konnten Werte von 2 mm gemessen werden, die auch nach Traktionsende noch nachweisbar waren. Unter Traktion der HWS kommt es zu einer Verlängerung der HWS von bis zu 7 mm. (Chung et al: Radiology 225,2002).

Zu 3.  Unter Flexion kommt es zu einer Vergrößerung des Neuroforamens. Die Fläche vergrößert sich um 13,5 %, die Höhe um 8 % die Weite um 5 %. Extension führt zur Verkleinerung des Neuroforamens in der Fläche um ca. 10 % (Yoo et al. Spine 1992; 17(10):1131    

Beim Übergang von der Extension zur Flexion vergrößert sich das Neuroforamen um 40 qmm, (Liyang et al. Spine 1989;14(5):523).

Zu 4. Unter Flexion kommt es zur Straffung und Retraktion der ligg.  flava. Ein evtl. bulging nimmt ab. Protusion werden nach anterior gedrückt.

Unter 45 kg Distraktion kommt es bei 78,5 % der medialen, 66,6 % der posterolateralen und 57 % der lateralen Bandscheibenvorfälle zu einer vollständigen Retraktion. ( 30 Patienten Onel et al. Spine 89; 14 (1):82.

An der HWS kam es bei 29 Patienten mit insgesamt 40 Bandscheibenvorfällen unter Traktion bei 21 Patienten zu einem  Rückgang der Vorfälle ( 3 komplett 18 partiell).

Die Diffusion in die Bandscheibe ist proportional zur Druckveränderung im Nucleus. Der innere posteriore Teil des anulus ist  der kritische Bereich in der Nährstoffversorgung der Bandscheibe. Hier beginnt die Degeneration. Die Flexionsdistraktion führt zu einer Verbesserung der Nährstoffversorgung.

 

Dr. med. Uwe Diedrich

Allgemeinarzt und Chirotherapeut mit niedergelassener Praxis in Norderstedt, Schleswig Holstein.

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